Jeder 3D-Druck-Fan kennt das Problem: Man muss sich immer zwischen Geschwindigkeit und Qualität entscheiden. Man versucht, den Drucker zu beschleunigen, um einen 10-Stunden-Druck zu verkürzen, doch das fertige Objekt sieht dann unschön aus und weist unschöne Spuren auf, insbesondere Geisterbilder oder Ringing. Das ist wirklich frustrierend. In der 3D-Druck-Community ist oft von einer scheinbar magischen Lösung die Rede: der Klipper-Firmware und ihrer Funktion „Input Shaping“. Sie verspricht die perfekte Kombination aus schnellem Drucken und gleichbleibender Qualität. Aber funktioniert sie wirklich so gut, wie behauptet wird? Dieser Artikel bietet Ihnen einen umfassenden Leitfaden für 2025 und untersucht eingehend, ob Input Shaping tatsächlich eine bahnbrechende Verbesserung darstellt, die den Aufwand des Wechsels von der bewährten Marlin-Firmware rechtfertigt.
Die Wissenschaft hinter dem Klingeln
Um ein Problem zu beheben, muss man es zunächst verstehen. Klingelnde Geräusche entstehen durch mechanische Vibrationen. Stellen Sie sich vor, Sie schieben ein Kind auf einer Schaukel an. Wenn Sie im genau richtigen Moment – im natürlichen Rhythmus der Schaukel – anschieben, schwingt es immer höher, ohne dass Sie viel Kraft aufwenden müssen. Ihr 3D-Drucker ist eine komplexe Maschine mit eigenen natürlichen Schwingungsmustern. Rahmen, Riemen und bewegliche Teile neigen naturgemäß dazu, zu vibrieren, wenn sie „angeschoben“ werden.
Beim 3D-Druck entsteht der „Schub“ durch die schnellen Beschleunigungen und Abbremsungen von Druckkopf und Druckbett. Bei scharfen Kurven des Extruders ändern die Motoren abrupt ihre Drehrichtung. Diese schnelle Bewegung wirkt wie ein Stoß und versetzt die Druckerteile in Schwingung. Diese Schwingungen halten kurz an, ähnlich wie eine Stimmgabel, die nach dem Anschlagen noch nachklingt. Während die Düse kontinuierlich Kunststoff aufträgt, werden diese Schwingungen auf die Oberfläche gedruckt und erzeugen die wellenförmigen, verschwommenen Linien, die man hinter Ecken und an detaillierten Teilen sieht. Dies ist das grundlegende physikalische Problem, das der schnelle 3D-Druck lösen muss.
Wie Input Shaping funktioniert
Input Shaping ist eine rein softwarebasierte Technik, die Vibrationen verhindert, bevor sie sich im Druckbild bemerkbar machen. Es handelt sich nicht um eine Hardwarelösung, sondern um ein intelligentes Steuerungssystem. Im Prinzip ist es eine Art Vibrationskompensation. Die Firmware lernt die spezifischen Frequenzen, bei denen die X- und Y-Achse Ihres Druckers tendenziell vibrieren. Mithilfe dieser Informationen werden die an die Motoren gesendeten Bewegungsbefehle angepasst.
So funktioniert es: Wenn die Firmware eine abrupte Bewegung ausführen muss, sendet sie nicht einen einzigen Befehl, sondern erzeugt eine präzise getaktete Abfolge kleinerer Bewegungen. Diese Bewegungen sind so geplant, dass sie eigene Vibrationen erzeugen, die den natürlichen Vibrationen des Druckers genau entgegengesetzt sind. Dadurch heben sie sich gegenseitig auf; die softwaregenerierte „Antivibration“ kompensiert die physischen Vibrationen der Maschine. Ein guter Vergleich sind geräuschunterdrückende Kopfhörer, die Umgebungsgeräusche erfassen und eine Gegenschallwelle erzeugen, um Stille zu erzeugen. Input Shaping bewirkt dasselbe für physische Bewegungen. Damit dies funktioniert, muss das System zunächst die Vibrationen der Maschine genau messen. Dies geschieht, indem vorübergehend ein kleiner, kostengünstiger Sensor – ein Beschleunigungsmesser – am Druckkopf angebracht wird, der die Vibrationen während einer Reihe von Testbewegungen des Druckers aufzeichnet.
Klippers präzise Abstimmung
Klipper ist dank seiner Architektur optimal für die präzise Ausführung von Input Shaping geeignet. Im Gegensatz zu herkömmlicher Firmware, die alle Berechnungen auf der leistungsschwachen 8- oder 32-Bit-Steuerplatine des Druckers durchführt, verlagert Klipper die rechenintensivsten Aufgaben auf einen anderen Rechner. Die komplexen mathematischen Berechnungen für Bewegungsplanung und Input Shaping werden von einem deutlich leistungsstärkeren Host-Computer, üblicherweise einem Einplatinencomputer oder einem herkömmlichen PC, übernommen. Die Steuerplatine des Druckers muss lediglich die präzisen, vorab berechneten Befehle ausführen. Diese Arbeitsteilung stellt die notwendige Rechenleistung für die komplexen Echtzeitberechnungen bereit, die ein hochwertiges Input Shaping ermöglichen.
Für die Anwender ist der Abstimmungsprozess einfach und basiert auf realen Daten.
* Schritt 1: Messung. Nachdem Sie einen Beschleunigungsmesser am Druckkopf angebracht haben, führen Sie den Befehl TEST_RESONANCES aus. Der Drucker bewegt dann automatisch seine Achsen vor und zurück und testet verschiedene Frequenzen, um mögliche Vibrationen zu erkennen.
* Schritt 2: Analyse. Hier zeigt Klipper seine Stärken. Die Firmware verarbeitet automatisch die vom Beschleunigungsmesser erfassten Daten. Sie erstellt eine CSV-Datei und ein Diagramm, das die Vibrationsstärke bei verschiedenen Frequenzen übersichtlich darstellt und die exakten Vibrationsspitzen für die X- und Y-Achse ermittelt.
* Schritt 3: Einrichtung. Der Vorgang ist erstaunlich einfach. Klipper analysiert die Daten und schlägt den optimalen Input Shaper-Algorithmus und die passenden Frequenzwerte vor. Sie kopieren diese empfohlenen Zeilen einfach in Ihre printer.cfg -Konfigurationsdatei. Ein kurzes „Speichern & Neustarten“ in der Weboberfläche wendet die Änderungen sofort an, ohne dass die Firmware neu kompiliert oder geflasht werden muss.
Der entscheidende Vorteil dieser Methode liegt in ihrer Präzision. Das resultierende Kompensationsprofil ist keine allgemeine Schätzung, sondern eine exakte, individuell auf Ihre Maschine zugeschnittene Kalibrierung, die deren spezifischen Rahmen, Riemenspannung, Bauteilverschleiß und sogar die Oberfläche, auf der sie steht, berücksichtigt.
Marlins Version von 2025
Es ist wichtig zu beachten, dass sich die Welt des 3D-Drucks bis 2025 verändert hat. Marlin, der langjährige Standard, hat sich weiterentwickelt und bietet nun eine eigene Version von Input Shaping. Ignoriert man dies, ist der Vergleich nicht mehr zeitgemäß. Die Funktionsweise und die Benutzererfahrung unterscheiden sich jedoch deutlich von Klippers Ansatz.
Die gängigste Methode zur Feinabstimmung von Marlins Input Shaping ist die manuelle, visuelle Kalibrierung. Benutzer drucken ein spezielles Kalibrierungsmodell, oft auch „Klingelturm“ oder „Stimmturm“ genannt, das bei verschiedenen Einstellungen ein Klingeln erzeugt. Anschließend wird anhand des gedruckten Turms die Frequenzeinstellung ermittelt, die das sauberste Ergebnis liefert, und dieser Wert manuell in die Konfiguration eingetragen. Obwohl diese Methode funktioniert, ist sie subjektiv und weniger präzise als die sensorbasierte Messung von Klipper.
Auch die begrenzte Rechenleistung spielt weiterhin eine Rolle. Da alle Berechnungen auf der Steuerplatine des Druckers durchgeführt werden müssen, kann die Komplexität der Marlin-Shaping-Algorithmen, insbesondere auf älterer Hardware, eingeschränkt sein. Dies kann die Leistung bei höchsten Geschwindigkeiten im Vergleich zum hostbasierten System von Klipper beeinträchtigen. Schließlich unterscheidet sich auch der Konfigurationsprozess. Zwar erleichtern neuere Marlin-Versionen Anpassungen im laufenden Betrieb, doch erfordert die Änderung von Kerneinstellungen wie Input Shaping oft immer noch das Bearbeiten von Konfigurationsdateien, das Neukompilieren der Firmware und das erneute Flashen der Steuerplatine – ein aufwändigerer und zeitintensiverer Prozess als das Bearbeiten einer einfachen Textdatei in Klipper.
Den Leistungsunterschied sehen
Der wahre Leistungstest liegt im Druckergebnis. Betrachten wir einen direkten Vergleich. Auf einem Standarddrucker mit einer gut eingestellten, aber einfachen Marlin-Firmware drucken wir ein Modell eines nachklingenden Turms. Dieses Modell hat scharfe Ecken, die Probleme deutlich hervorheben. Mit zunehmender Höhe steigt die Druckgeschwindigkeit bzw. Beschleunigung. Das Ergebnis ist vorhersehbar: Die unteren, langsameren Abschnitte sehen sauber aus, aber mit steigender Geschwindigkeit verschlimmert sich das Nachklingen zunehmend und erzeugt nach jeder Ecke sichtbare, wellenförmige Echos. Die Abschnitte mit der höchsten Geschwindigkeit sind aufgrund der schlechten Oberflächenqualität möglicherweise unbrauchbar.
Nun nehmen wir denselben Drucker, flashen ihn mit Klipper und führen die auf dem Beschleunigungsmesser basierende Input-Shaping-Optimierung durch. Anschließend drucken wir denselben G-Code für den klingelnden Turm. Der Unterschied ist verblüffend. Selbst bei den höchsten Geschwindigkeiten, die zuvor erhebliche Probleme verursachten, weist der Druck nun spiegelglatte Oberflächen und gestochen scharfe Kanten auf. Das Klingeln ist praktisch verschwunden, was beweist, dass die Hardware diese Geschwindigkeiten schon immer bewältigen konnte; das Problem lag in der Firmware-Steuerung.
[Image: A split photo showing a ringing tower printed on standard Marlin vs. the same tower printed on Klipper with Input Shaping. The Klipper side is visibly cleaner at high speeds.]
Zum fairen Vergleich: Wie sieht es mit Marlin und aktiviertem Input Shaping aus? Ein erneuter Druck des Towers nach manueller visueller Kalibrierung führt zu einer deutlichen Verbesserung gegenüber dem Verzicht auf jegliches Shaping. Klingeln wird stark reduziert und höhere Geschwindigkeiten werden möglich. Bei maximaler Auslastung erreicht Marlin jedoch möglicherweise nicht die gleiche Perfektion wie Klippers datenbasierte, automatisch optimierte Methode. Das Ergebnis mit Marlin ist oft eine zufriedenstellende Verbesserung, während Klipper auf Perfektion abzielt und daher oft weniger Ausprobieren erfordert.
Es ist außerdem wichtig zu beachten, dass Input Shaping nicht allein funktioniert. Seine Wirksamkeit wird durch die Kombination mit Klippers „Pressure Advance“-Funktion deutlich gesteigert. Während Input Shaping Vibrationen des Rahmens ausgleicht, regelt Pressure Advance den Extruderdruck, um Wölbungen und Fadenbildung an Ecken zu verhindern. Zusammen bilden sie eine leistungsstarke Kombination, die außergewöhnliche Druckqualität bei sonst unmöglichen Geschwindigkeiten ermöglicht.
Die Kosten der Energie
Diese Leistung hat ihren Preis. Der Wechsel zu Klipper ist kein einfaches Software-Update; es handelt sich um eine grundlegende Änderung der Druckerkonfiguration, und es ist wichtig, ehrlich über die damit verbundenen Anforderungen zu sein.
Zunächst zu den Hardwareanforderungen. Klippers Design benötigt einen dedizierten Host-Computer für den Betrieb der Hauptsoftware. Üblicherweise handelt es sich dabei um einen Einplatinencomputer, aber auch ein älterer Laptop oder ein kleiner PC ist geeignet. Dies ist eine zusätzliche Komponente und verursacht potenziell Mehrkosten, die bei einer Standard-Marlin-Installation nicht erforderlich sind. Um das volle, datenbasierte Potenzial von Input Shaping auszuschöpfen, wird außerdem ein Beschleunigungssensor benötigt. Dieser wird zwar nur für die anfängliche Abstimmung benötigt und kann anschließend entfernt werden, ist aber dennoch ein notwendiges Werkzeug.
Zweitens ist der technische Lernaufwand zu berücksichtigen. Die Installation ist komplexer als das Flashen einer einzelnen Marlin-Datei. Sie erfordert die Installation eines Linux-basierten Betriebssystems auf dem Host-Rechner, die Installation der Klipper-Software-Suite (Klipper, Moonraker und eine Weboberfläche wie Mainsail oder Fluidd), das Flashen von minimalem Mikrocontroller-Code auf die Steuerplatine des Druckers und die Erstellung einer Konfiguration von Grund auf. Diese Konfiguration erfolgt über eine printer.cfg -Textdatei. Obwohl diese Datei deutlich einfacher zu bearbeiten ist als Marlins Configuration.h , stellt sie einen völlig anderen Ansatz dar. Man schaltet nicht mehr Funktionen in einer vorgefertigten Datei ein und aus, sondern erstellt eine spezifische Definition des Druckers aus grundlegenden Komponenten, was das Erlernen und Verstehen der Syntax erfordert.
Fazit: Lohnt es sich?
Klippers Input Shaping ist mehr als nur ein Marketing-Gag; es handelt sich um eine bahnbrechende Technologie, die ihr Versprechen höherer Qualität bei gleichzeitig höherer Geschwindigkeit einlöst. Die Debatte zwischen Klipper-Firmware und Marlin-Firmware dreht sich 2025 nicht mehr darum, welche insgesamt „besser“ ist, sondern darum, welche am besten zu Ihren Zielen, Fähigkeiten und Ressourcen passt. Die Entscheidung zum Flashen ist eine persönliche, bei der die reine Leistung gegen die Komplexität abgewogen wird.
Zur kurzen Zusammenfassung sei Folgendes angemerkt:
| Besonderheit | Klipper | Marlin (mit IS) | Standard Marlin |
|---|---|---|---|
| Maximale Qualitätsgeschwindigkeit | Sehr hoch | Hoch | Mäßig |
| Klingeln/Geistern | Praktisch eliminiert | Deutlich reduziert | Bei hohen Geschwindigkeiten vorhanden |
| Abstimmungsprozess | Automatisiert (mit Sensor) | Manuelle (visuelle Kalibrierung) | N / A |
| Hardwarekosten | Steuerplatine + Host-PC + Sensor | Nur Steuerplatine | Nur Steuerplatine |
| Konfiguration | Textdatei bearbeiten, neu starten | Neu kompilieren und neu flashen | Neu kompilieren und neu flashen |
| Ideal für... | Tüftler, Geschwindigkeitsfanatiker, Perfektionisten | Nutzer, die eine Leistungssteigerung ohne zusätzliche Hardware wünschen. | Anfänger, „Einrichten-und-vergessen“-Nutzer |
Zusammenfassend lässt sich die abschließende Empfehlung wie folgt formulieren:
Sie sollten Klipper flashen, wenn: Sie ein Tüftler sind, der gerne Hardware bis an ihre Grenzen ausreizt. Sie die maximale Geschwindigkeit und Qualität Ihres Rechners erreichen möchten und bereit sind, dafür Zeit und Mühe zu investieren. Sie eine eher praktische, computerorientierte Herangehensweise an die Konfiguration und eine steilere Lernkurve bevorzugen.
Sie sollten bei Marlin bleiben (oder dessen integriertes IS verwenden), wenn: Ihnen Einfachheit, Stabilität und ein reibungsloses Funktionieren am wichtigsten sind. Sie kein Interesse daran haben, zusätzliche Hardware wie einen Einplatinencomputer in Ihr System einzubauen, oder Ihre Druckanforderungen keine maximale Geschwindigkeit erfordern. Sie ein Anfänger sind, der sich auf das Erlernen des Druckens konzentrieren möchte, ohne sich mit komplexer Firmware auseinandersetzen zu müssen.
Klippers Input Shaping ist eine leistungsstarke und bewährte Technologie. Die Entscheidung für ihre Anwendung hängt nicht von ihrer Funktionsfähigkeit ab, sondern von einer persönlichen Abwägung, ob die signifikanten Vorteile den damit verbundenen Zeit-, Lern- und Hardwareaufwand in der dynamischen Welt des 3D-Drucks im Jahr 2025 rechtfertigen. Im Vergleich zur Marlin-Firmware haben beide ihre Stärken, doch Klipper bietet unübertroffene Präzision für alle, die bereit sind, sich mit der Komplexität auseinanderzusetzen.